Die Debatte um Ladenöffnungszeiten ist eine typisch deutsche Erscheinung. Obwohl in den letzten Jahren eine gewisse Liberalisierung stattgefunden hat, ist Deutschland im Vergleich zu anderen, auch europäischen Ländern, in dieser Beziehung ein reines Entwicklungsland.
Am Beispiel der Stadt Essen dargestellt, wo es 2011 ganze 36 verkaufsoffene Sonntage gab, wird jetzt eine Diskussion um eine deutliche Einschränkung dieser Einkaufsmöglichkeiten gestritten. Vor dem Hintergrund einer Debatte im Landtag über dieses Thema werden Argumente ausgetauscht, die teilweise wie Relikte aus längst vergangenen Zeiten klingen. Kirchen und Gewerkschaften plädieren für eine deutliche Limitierung der Ladenöffnungszeiten, insbesondere der verkaufsoffenen Sonntage. Dabei ist von einer Ökonomisierung der Arbeitswelt, der Notwendigkeit eines freien Sonntages sowie der Möglichkeit einer Besinnung innerhalb einer arbeitsreichen Woche die Rede. Die Wirtschaftsverbände verweisen auf die freie unternehmerische Entscheidung und auf die ohnehin reglementierte und damit gebremste Wirtschaftskraft des Landes hin.
Betrachtet der aufmerksame Beobachter die Realität, wird ein völlig anderes Bild gezeichnet. Der Discounter Lidl am Hauptbahnhof Essen zum Beispiel, wo sehr großzügige Öffnungszeiten herrschen, dürfte eine interessante Antwort auf die Frage des Bedarfs an langen Öffnungszeiten, auch am Sonntag, geben. Hier finden regelrechte Wocheneinkäufe, die weit über den Reisebedarf hinausgehen, am späten Abend oder auch am Sonntag statt. Ein weiteres plastisches Beispiel ist der Filialhändler Rewe. Hier wurde 2011 ein Drittel des gesamten Umsatzes nach 18 Uhr erzielt. Ein Versandshop, egal in welcher Branche, unterliegt auch keiner Öffnungszeit.
Wenn die Ladenöffnungszeiten gerade im grenznahen Bereich rigide gehandhabt werden würde, so fließt die Einkaufskarawane in Richtung Niederlande. Ob dieser Abfluss der Kaufkraft gewünscht wird, sollte zumindest bezweifelt werden.
Selbst in Ländern mit einer strengeren kirchlichen Tradition wie Spanien und Portugal sind Einkäufe am Sonntag selbstverständlich, ohne Schaden an Seele und Gewissen der Gläubigen. Verlängerte Öffnungszeiten unter Beibehalten der Wochenarbeitszeit bedeutet für die Beschäftigten auch ein Gewinn an Flexibilität und stärkt das Ansehen und den Umsatz des Handels.
Doch während europäische Nachbarn kopfschüttelnd diese Debatte betrachten, wird Deutschland weiterhin die Bürokratie und die Verordnungswut steigern, und dies leider zulasten der Wirtschaft.
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